Was wäre, wenn…?

Der Literaturkus des Gymnasiums an der Gartenstraße lädt zu einem spannenden Gedankenexperiment ein.

Stellen Sie sich vor, die Welt geht unter. Lassen Sie diesen Gedanken einmal zu. Irgendein apokalyptisches Szenario. So schwer fällt es nicht, in unserer heutigen Welt. Jetzt stellen Sie sich vor, es gibt eine Rettung, einen Bunker, mit genug Sauerstoff, Nahrung etc. Aber nur für 7 Menschen. In Ihrer Gruppe sind aber 15 Personen. Wie entscheiden Sie?

Diese Frage stellte sich auch der Literaturkurs des Gymnasiums an der Gartenstraße bei ihren diesjährigen Aufführungen am Dienstag und am Mittwoch. In ihrem Szenario sollte im ersten Akt eine gelangweilte Schulklasse sich diesem Gedankenexperiment stellen. Die Lehrerin Frau Dalila (wunderbar frustriert gespielt von Mona Jaoudi-Neffati) überlässt diese Entscheidung komplett der Klasse. Nur Berufe werden zugelost. Die Klasse entscheidet auch gleich wild drauflos. Der Anführer (Florian Marx), der Landwirt gezogen hat, will natürlich seine Freundin (Hannah Kuhn) als Pfarrerin und seine Schwester Ella (Miriam Buschmann), die Zuhälterin gezogen hat, im Bunker haben. Der reiche Richtersohn (Max Doré) möchte nach dem Gehalt, der Fußballer Tommy (Ilyas Elouardani) nach Coolness entscheiden. Nach vielen augenzwinkernden Diskussionen steht am Ende eine recht logisch erscheinende Entscheidung. In einer Publikumsbefragung werden aber auch die Zuschauer in das Theaterstück mit einbezogen. Die meisten können die Auswahl der Klasse verstehen, auch wenn ein Pärchen dadurch getrennt wird. Aber das war ja nur der erste Akt. Der zweite Akt beginnt mit einer Einladung zum Klassentreffen nach 10 Jahren. Die Klasse erscheint mit gemischten Erwartungen. Es folgt erster Smalltalk. Aus dem Anführer ist ein Soldat geworden, der Emo ist Informatiker usw. Auf einmal erfolgt eine wichtige Durchsage. Eine akute, tödlich verlaufende Seuche breitet sich aus. Aber in der Schule ist ein Bunker mit Platz für zehn… es sind 17 Personen in der Klasse. Das Gedankenexperiment wird Realität. Und schnell zeigt sich, es geht mehr um verletzte Gefühle, um egoistische Motive – z.B. möchte die Schwangere (gespielt von Janina Reyer) natürlich ihr Ungeborenes und ihren Mann retten – als um Nutzen und Jobs. Die Situation eskaliert und zurück bleibt im Publikum die Frage, wie man selbst entschieden hätte.

Die Eigenproduktion hatte viele überraschende Einfälle und Wendungen, das abstrakte Bühnenbild und die reduzierten Kostüme lenkten den Blick auf die Thematik des Stückes. Das Publikum wurde an mehreren Stellen mit eingebunden. „Viele Ideen kamen von den Schülerinnen und Schülern. Wir mussten sie nur ein wenig anleiten“, berichtete die Lehrerin Lisa Kemper. Es war ihr erster Literaturkurs, den sie zusammen mit Jan-Henrik Buchholz geleitet hat. „Auch der komplette Text wurde von den Schülerinnen und Schülern selbst geschrieben.“ Die Rollen waren sehr passend und schienen auf die Personen zugeschnitten zu sein. So wurde dieses Gedankenexperiment ein kurzweiliger Abend, der einen doch etwas nachdenklich in den Sommerabend entließ. Ja, was wäre, wenn…?